Installation aus Borkenkäferrinden aus der Umgebung Solingen/Burg, Deutschland,
330x185x115 cm,
Rinden, Signalspray, Schrauben und Markierbindfaden,
Baustelle Schaustelle, Essen, 2022
„Gaias Expressionism“
Exposé
DE
Bruno Latour bezieht sich in seinem Essay „Plädoyer für irdische Wissenschaften“ auf ein Buch des Wissenschaftlers James Lovelock von 2008. Das dystopische Szenario in „Gaias Rache“ beschreibt den
Kampf der Menschen gegen Gaia (Welt). Hierbei deutet Lovelock zwei mögliche Ausgänge:
1.) Gaia gewinnt und die Menschen sterben.
2.) Die Menschen gewinnen und gehen mit Gaia unter.
Latour nimmt das als Ausgangslage, um sich für die Auflösung der Dichitomie „Mensch/Natur“ einzusetzen. Ich folgte diesem Gedanken und entwickelte für die BauSchau Essen ein Projekt mit dem Ziel die
Einigung von menschlicher und nichtmenschlicher Autorschaft vorzunehmen.
Zentral sind die Buchdrucker/Kupferstecher (Borkenkäfer), die qua Namen bereits Anerkennung für ihren schöpferischen Drang als nichtmenschliche Künstler erlangen konnten. Zu ihrem Euvre gehören
„Landart“, „Grafik“ und „Skulptur“.
Aus diesem Werk wird eine hängende, raumgreifende Installation, die der Formgebung nach den Möglichkeiten ihrer materiellen Beschaffenheit entspricht.
An der Wand werden ihre Holzarbeiten zu einem Historiengemälde, dass den Zeitpunkt der Offenlegung des menschlichen Irrtums der Herrschaft über die Natur festhält: „Gaias´
Expressionismus“.
ENG
In his essay “Plea for Earthly Science”, Bruno Latour refers to a 2008 book by scientist James Lovelock. The dystopian scenario in “Gaia's Revenge” describes the
battle between humans and Gaia (the world). Lovelock suggests two possible outcomes:
1) Gaia wins and the humans die.
2) The humans win and perish with Gaia.
Latour takes this as a starting point for advocating the dissolution of the “human/nature” dichotomy. I followed this idea and developed a project for the BauSchau Essen with the aim of unifying
human and non-human authorship. Central to the project are the book printers/copper engravers (bark beetles), who have already gained recognition for their creative urge as non-human artists by
virtue of their name. Their oeuvre includes “land art”, ‘graphics’ and “sculpture”.
This work becomes a hanging, expansive installation that is shaped according to the possibilities of its material nature. On the wall, their woodwork becomes a history painting that captures the
moment when the human error of domination over nature was revealed:
“Gaias' Expressionism”.
Installation aus Borkenkäferrinden aus der Umgebung Solingen/Burg, Deutschland,
330x185x115 cm,
Rinden, Signalspray, Schrauben und Markierbindfaden,
Baustelle Schaustelle, Essen, 2022
Historiengemälde aus Borkenkäferrinden aus der Umgebung Solingen/Burg, Deutschland,
115x146x5 cm,
Rinden, Pigment, Epoxidharz,
Baustelle Schaustelle, Essen, 2022
DE
Bisher werden ihre Werke nach menschlichen Maßstäben eingeordnet. Diese deklarieren sie zu Schädlingen, da sie sich der für Menschen nützlichen Logik entziehen. Hierzu werden die Rinden mit einer
Fotografie gegenübergestellt. Darauf abgebildet ist der Autobahnausbau der A49 durch den Dannenröder Forst. Die Kontur der Baumkronen vor dem Horizont bildet dabei eine vergleichbare Form wie die
einer Einschlagschneise, die durch den Befall von Buchdruckern in vielen Regionen Mitteleuropas bekannt ist. Während die Buchdrucker unumstritten als gefährlich konnotiert sind, wird bei der A49
diskutiert. Die Mobilität für Menschen wird gegen das Ökosystem abgewogen. Die Borkenkäfer wiederum machen, genau wie die Menschen, die sich für den Ausbau der Autobahn einsetzen, nur das, was für
sie selbst am profitabelsten ist. Riesige Straßen zum Vermehren der eigenen Spezies. Die damals so profitabel scheinenden Fichtenwälder im Sauerland wurden gekapert. Gaia schlägt zurück. Die Menschen
bleiben machtlos.
ENG
So far, their works have been categorized according to human standards. These declare them to be pests, as they defy logic that is useful to humans. To this end, the
barks are juxtaposed with a photograph. It shows the expansion of the A49 highway through the Dannenröder Forest. The contours of the treetops against the horizon form a shape comparable to that of a
logging lane, which is known from the infestation of spruce bark beetles in many regions of Central Europe. While the book printers are undisputedly connoted as dangerous, the A49 is the subject of
debate. Mobility for humans is weighed against the ecosystem. The bark beetles, on the other hand, just like the people campaigning for the expansion of the highway, only do what is most profitable
for themselves. Huge roads to propagate their own species. The spruce forests in the Sauerland region, which seemed so profitable at the time, were hijacked. Gaia strikes back. Humans remain
powerless.
Text: Nils Levin Sehnert
Fotografie von A49 Ausbau in Hessen,
56x37x3 cm,
Inkjetprint auf Papier in Fotorahmen mit Borkenkäferrinden,
Baustelle Schaustelle, Essen, 2022
Fotografie von A49 Ausbau in Hessen,
56x37x3 cm,
Inkjetprint auf Papier in Fotorahmen mit Borkenkäferrinden,
Baustelle Schaustelle, Essen, 2022
Installation aus Borkenkäferrinden aus der Umgebung Solingen/Burg, Deutschland,
330x185x115 cm,
Rinden, Signalspray, Schrauben und Markierbindfaden,
Baustelle Schaustelle, Essen, 2022