©Bernhard Adams

 

"Resonanzraum", Installationsansichten, Klarlack und Smartpigment im Raum, 41 qm,

Verein der Kunst Neuss, 2022

 

 

 

 

©Bernhard Adams

 

"Active Sculpture", 203 x 152 x 143 cm, Reclaimed Polyurethan, Laquer, Smart Pigments and UV guns

as part of "Resonanzraum", Installationsansichten,

Verein der Kunst Neuss, 2022

 

 

 

 

©Bernhard Adams

 

"Performative Wall", A wall getting activated by the sculpture and the viewers exploring the exhibition space, div. dimensions,

Resin, Reclaimed Polyurethan, Laquer, Smart Pigments and UV guns

as part of "Resonanzraum", Installationsansichten,

Verein der Kunst Neuss, 2022

 

 

 

 

©Bernhard Adams

 

"Performative Wall", bodyprint, A wall getting activated by the sculpture and the viewers exploring the exhibition space, div. dimensions,

Resin, Reclaimed Polyurethan, Laquer, Smart Pigments and UV guns

as part of "Resonanzraum", Installationsansichten,

Verein der Kunst Neuss, 2022

 

 

 

 

Fusion in der Höhle

 

 

Platons Höhlengleichnis beschreibt unsere Erfahrung des Realen als eine Täuschung. Was wir als Welt wahrnehmen, ist bloß ein Schattenspiel, eine Illusion des Wahren, deren trügerische Natur wir nicht erfassen können. Gefangen in unseren perzeptorischen Fesseln verwechseln wir zweidimensionale, auf eine Höhlenwand projizierte Schatten mit der Substanz der Realität und sind unfähig, Phänomen und Abbild des Phänomens zu unterscheiden. Als Metapher der Beschränktheit unserer Wahrnehmung und der Distanz zwischen dem Wahren und seiner Darstellung hat Platons Erzählung eine ausgiebige Rezeption in der bildenden Kunst erlebt. Dabei ist der Argwohn des griechischen Philosophen gegenüber allen Kunstformen wohlbekannt. Weil die Kunst nichts anderes als eine oberflächliche Wiederholung der physischen Welt mitsamt all ihren Defiziten schaffe, verdächtigte er sie einer gemeingefährlichen Wirkung auf die Menschheit. Dass aber gerade Kunst ein Mittel der Bewusstwerdung unserer Erfahrungsdefizite sein kann und dass sie zudem in der Lage ist, Platons pessimistische Diagnose in ein niedrigschwelliges, zugleich tiefgründiges und unterhaltsames Erlebnis zu verwandeln, beweist der „Resonanzraum“ von Nils Levin Sehnert.

 

Für die erste Ausstellung seiner Reihe „Kunst findet Stadt“ hat der Verein der Kunst Neuss einen Raum in einem Gründerhaus ausgemacht, der lange Zeit leer stand. Die Spuren der Vergangenheit haben sich auf den vergilbten Tapeten und auf dem Teppichboden des Zimmers regelrecht eingebrannt. Diese Lichtflecken erzählen von Möbeln und Bilderrahmen, die den Wohnraum einst bestückten und nur noch als fixierte Phantome wahrzunehmen sind. Nils Levin Sehnert geht darauf ein und setzt ein massives Objekt aus Polyurethan in den Raum, das mit zwei UV-Lichtstrahlern bestückt und mit photochromen Pigmenten überzogen ist. Diese sogenannten Smart Pigmente haben die Eigenschaft, ihre Farbe bei UV-Einstrahlung zu verändern. Auch die Wände wurden damit präpariert, so dass die vom Licht erfassten Gegenstände und Menschen bunte Schatten hinterlassen, die nur wenige Sekunden sichtbar bleiben – bevor sie wieder verschwinden. Diese chromatische Instabilität der Pigmente wird vom wechselhaften Wesen der zentralen Plastik verstärkt, die einerseits an einen Asteroiden erinnert, dessen schillernde Oberfläche aus einem erdunbekannten Stoff bestünde, andererseits durch seine wulstige, fleischige Struktur die Vorstellung von Körperteilen oder Muskeln evoziert.

 

Sehnerts künstlerische Praxis ähnelt dem Wandern in einem Grenzgebiet. Sein Blick richtet sich auf die Malerei, allerdings eine von ihren materiellen Fesseln befreite Malerei, die den Raum erobert und als pures Farbphänomen wirkt. Der Blick richtet sich aber auch auf die Bildhauerei und auf spezifische Fragen zu Form und Unform, Materialität und Immaterialität, Volumen, Struktur und Oberfläche, zum Verhältnis zwischen dem skulpturalen Körper und seinem Umraum. Und selbstverständlich werden die Mechanismen der Fotografie herbeizitiert, denn „Resonanzraum“ kann als ein Generator von großen, unfixierten Fotogrammen gedeutet werden. Über diese aktive Auseinandersetzung mit traditionellen Medien hinaus integriert Sehnert Überlegungen zur Licht- und Medienkunst, setzt ganz bewusst auf den immersiven Charakter seiner Installation, die ohne die körperliche Interaktion des Rezipienten wenig Sinn ergibt, und spielt mit der Faszination für technoide Materialien. „Resonanzraum“ ist ein Schmelztiegel unterschiedlicher Praxen, Techniken und Herangehensweisen, die zu einem einheitlichen künstlerischen Vorschlag fusionieren und komplexe Themen öffnen.

 

Nils Levin Sehnerts Installation rührt auf spektakuläre Weise an erkenntnistheoretische Themen, verliert dabei nie die Lust am Experimentieren und die Freude an einem direkten Erleben von außergewöhnlichen physischen Phänomenen, die die Betrachter*innen in Staunen versetzen. Der junge Künstler scheint sich Nietzsches Vorstellung einer fröhlichen Wissenschaft aneignen zu wollen. Und vor allem: sie vermitteln zu wollen.

 

Emmanuel Mir

März 2022

 

 

©Bernhard Adams

 

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Link: VdKN

Kunst-Findet-Stadt - Verein der Kunst Neuss (vdkn.de)

 

Geförtdert durch:

Kulturraum Niederrhein e.V.

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